(Februar 2018) Ein Transportunternehmer erwarb zwei Neubaufahrzeuge eines Sattelaufliegers für 33 Tonnen Nutzlast. Nach der Anlieferung wurden konstruktive Ausführungsunterschiede bei den Fahrzeugrahmen festgestellt. Auch die Schweißnähte wiesen Unzulänglichkeiten auf. Erfahren Sie mehr.
Die bei der Anlieferung festgestellten Unzulänglichkeiten gaben dem Auftraggeber Anlass zur Sorge hinsichtlich der Verwendbarkeit der bestellten Sattelauflieger. Vorsorglich gab er vor der Inbetriebnahme daher ein Privatgutachten in Auftrag.
Fehleranalyse und -bewertung
Im Rahmen des Gutachtens galt es folgende Fragestellungen zu beantworten:
- Entspricht das Fahrzeug den technischen Ausführungsvorschriften?
- Wie ist die Verkehrssicherheit des Sattelaufliegers einzuschätzen?
Ausführungsvorschriften im Fahrzeugbau

Für das Inverkehrbringen von Fahrzeugen auf dem europäischen Binnenmarkt gilt für die Hersteller verbindlich die europäische Rahmenrichtlinie 2007/46/EG. Deren Umsetzung in nationales Recht erfolgt durch die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung – EG-FGV. Der verpflichtende Nachweis der Fahrzeugfestigkeit ist in der europäischen Richtlinie 661/2009/EG enthalten, auf welche die zuvor genannten Regelwerke verweisen. Fahrzeughersteller erfüllten diese Forderung üblicherweise über Crash-Tests der Fahrzeuge beziehungsweise derer Komponenten. Die Gültigkeit erstreckt sich dabei ausschließlich auf eine gleiche Ausführung.
Für beide Fahrzeuge lag, obwohl konstruktiv voneinander abweichend ausgeführt, eine in den Niederlanden ausgestellte EG-Typenzulassung vor. Diese ist für alle EU-Mitgliedssaaten uneingeschränkt gültig.
Die Bewertung der schweißtechnischen Ausführung kann daher ausschließlich, bei Beachtung der nationalen Rechtsauslegung (zum Beispiel Paragraf 633 BGB), nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (DIN EN ISO 5817) erfolgen.
Einschätzung zur Verkehrssicherheit

Den Anlass des Transportunternehmers zur Einschätzung der Verkehrssicherheit der Fahrzeuge ist im Paragraf 31 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Verordnung (STZVO) begründet, wonach einem Halter unter anderem diese Pflicht vor einer Inbetriebnahme eines Fahrzeuges obliegt. Das zweite Fahrzeug wich bei der konstruktiven Ausbildung des Hauptrahmens in wichtigen Detailpunkten von der Bauweise des ersten Fahrzeugs ab. Die Detailausbildung an hoch beanspruchten Knotenpunkten des Hauptrahmens war konstruktiv sehr ungünstig ausgeführt worden. Die hergestellten Freischnitte bewirken eine hohe Kerbwirkung in Bereichen mit Lastkonzentration und Kraftumlenkung. Dies stellt potentielle Rissstellen dar. Hinsichtlich der qualitativen Schweißnahtausführung waren mehrfache Abweichungen festzustellen. Die im Inneren des Hauptrahmens ausgeführten Schweißnähte waren unvollständig geschweißt. Die weiteren ausgeführten Schweißnähte des Hauptrahmens wiesen an sehr vielen Stellen und über größere Bereiche erhebliche Schweißnahtunregelmäßigkeiten auf, wie ungenügende Durchschweißung, Poren und Porenzeilen, Endkraterrisse sowie Bindefehler. Die gemessenen Werte übersteigen die zulässigen Grenzwerte nach der DIN EN ISO 5817 – Bewertungsgruppe C.
Die sehr ungenügende Ausführungsqualität der Schweißnähte in Verbindung mit der ungeeigneten konstruktiven Detailausbildung des Hauptrahmens stellten potentielle Schadensstellen für Risse dar. In Anbetracht der möglichen Zuladung von 33 Tonnen konnte die Verkehrssicherheit für das Fahrzeug nicht bescheinigt werden.
Schadensvermeidung und -beseitigung
Im Fahrzeugbau gestatten die Ausführungsvorschriften den Herstellern von Fahrzeugen und Fahrzeugkomponenten die erforderlichen mechanischen Eigenschaften mittels Crash-Tests nachzuweisen. Diesen Crash-Tests liegen bestimmte konstruktive Ausführungen zu Grunde. Daher ist es für einen Besteller von entscheidender Bedeutung vom Hersteller aussagekräftige Unterlagen, zum Beispiel in Form von Ausführungszeichnungen, abzufordern und zu erhalten. Nur mit derartigen Unterlagen lässt sich eine angemessene Wareneingangsprüfung durchführen und die Gleichwertigkeit zum geprüften Muster kontrollieren.
Grundlegend verschieden dazu sind Reparaturen an Kraftfahrzeuge zu bewerten. Es kann sich hierbei nicht mehr auf den Crash-Test des ursprünglichen Herstellers bezogen werden. Dieser hat in seiner Ausführung Reparaturmaßnahmen nicht berücksichtigt. Der Ausführende der Reparaturleistungen muss nunmehr über Verfahrensprüfungen, Bauteilprüfungen (zum Beispiel Schweißnahtprüfung) und umfassender Dokumentation die ausgeführten Maßnahmen und deren Eignung für den Verwendungszweck belegen.
Schadensvermeidungs-Tipp
Das sollten Sie beachten
- Unmittelbare Wareneingangsprüfung bei Anlieferung und vor Inbetriebnahme von Neufahrzeugen,
- Umfassende Ausführungsdokumentation bei Reparaturen oder Verstärkungsmaßnahmen an Fahrzeugkomponenten.
Passend zum Thema haben wir wichtige Hinweise auf Normen, Richtlinien, Verordnungen und Regeln zusammengestellt.
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Passend zum Thema haben wir die zulässigen Unregelmäßigkeiten an Schweißverbindungen zusammengestellt.
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Dr. Rene Schasse, Geschäftsführer der Schweißtechnischen Lehranstalt Magdeburg